Equikinetic
Das Muskelaufbauprogramm Equikinetic beruht auf den Prinzipien Stellung, Biegung und Geraderichtung. Eigentlich ist der Pferdekörper nicht dazu geschaffen, einen Reiter zu tragen. Pferde sind von Natur aus schief und vorhandlastig. Das bedeutet, dass die Vorhand das meiste Gewicht (Kopf, Hals, Schultern) tragen muss. In der freien Wildbahn bereiten dem Pferd die natürliche Schiefe und die Vorhandlastigkeit keine Probleme; es verbringt die meiste Zeit grasend mit dem Kopf am Boden und schiebt sich über das jeweils vortretende Vorderbein langsam vorwärts. Da es in der freien Wildbahn keine Ecken gibt, bewegt sich das Pferd auf großen Linien durch die Landschaft, so dass es durch seine natürliche Schiefe nicht beeinträchtigt wird.
Halten wir in unserer vom Menschen gestalteten Umgebung Pferde und wollen sie gar reiten, werden die Vorhandlastigkeit und die Schiefe zum Problem. Ca. 60% seines Gewichts trägt das Pferd auf der Vorhand, nur ca. 40% auf der Hinterhand, obwohl sich dort mit dem Popomuskel der größte Muskel befindet. Kommt das Reitergewicht hinzu, kann man sich leicht vorstellen, dass die Vorhandlastigkeit bei fehlender Tragemuskulatur zum Problem wird. Gleiches gilt für die Schiefe. In unserer Welt mit Zäunen und Banden ist das Pferd gezwungen, durch Ecken zu laufen. Aufgrund der natürlichen Schiefe fällt ihm dies auf seiner hohlen Seite leichter, als auf seiner steifen Seite. Bänder und Sehnen werden unterschiedlich beansprucht, was zu ungleichmäßigem Verschleiß führt. Eine allzu häufige Folge sind Trageerschöpfung und Sehnenschäden.
Wer kennt es nicht: auf der hohlen Seite reiten wir gefühlt auf Grand-Prix-Niveau, auf der steifen Seite fühlt es sich nach Führzügelklasse an. Die Lösung des Problems ist ein geradegerichtetes Pferd mit starker Tragemuskulatur. Und hier kommt die Equikinetik ins Spiel! Das von Michael Geitner entwickelte Muskelaufbauprogramm ist genial einfach und für nahezu jedes Pferd reitweisen- und altersunabhängig geeignet.
Das Pferd wird auf Schulterhöhe durch eine mit Gassen gelegte Quadratvolte mit einem Durchmesser von ca. 8m in Stellung und Biegung geführt. Das geführte Longieren hat den Vorteil, dass so leichter Einfluss auf die Haltung und das Tempo des Pferdekörpers genommen werden kann. Das Pferd geht in kontrolliertem Tempo geradeaus auf auf gebogener Linie. Durch die konstante Stellung und Biegung wird die komplette Außenseite des Pferdes - vom Genick bis zur Schweifrübe - gedehnt und durchgearbeitet. So können verfilzte Faszien geglättet und Blockaden gelöst werden.
Schon die Alten Meister wussten, dass ein Pferd nur auf gebogener Linie geradegerichtet werden kann. Die gebogene Linie sorgt dafür, dass das Pferd aktiv mit dem inneren Hinterbein unter den Schwerpunkt treten muss. Diese Bewegung sorgt für eine aktive Hankenbeugung und Aktivierung der Bauchmuskulatur, die für den gesunden Trageapparat des Pferdes unerlässlich ist.
Die Gassen geben dem Pferd den Weg vor: die inneren Gassen bilden eine Begrenzung nach innen, so dass das Pferd daran gehindert wird, nach innen hereinzukommen; die äußeren Gassen bieten eine optische Begrenzung, so dass das Pferd nicht mit der Kruppe nach außen schleudert. Brerits nach kurzer Zeit lernt das Pferd sich gerade auf der gebogenen Linie zwischen den Gassen zu bewegen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Longieren werden so Scherkräfte verhindert, die negative Auswirkungen auf die Bänder und Gelenke des Pferdes haben. Die Farbwechsel der geben und blauen Gassen sorgen zusätzlich für Aufmerksamkeit.
Gearbeitet wird in der Equikinetic im Schritt und im Trab nach einem festen Zeitschema von 8 x 1 Minute mit 30 Sekunden Pause zwischen den Arbeitsintervallen. (je nach Alter und Fitness des Pferdes kann die Anzahl der Arbeitsintervalle verkürzt und/oder die Pausen auf 45 Sekunden verlängert werden). Nach jedem Pausensignal erfolgt ein Handwechsel, so dass das Pferd auf beiden Händen gleichmäßig gearbeitet wird. Pferde haben ein extrem gutes Zeitgefühl. Sobald sie das Prinzip von Arbeit und Pause verstanden haben, machen sie in der Regel eifrig mit und der Handwechsel wird zum Kinderspiel. Genauso wie im Klickertraining sorgt das Pausensignal für eine Dopaminausschüttung (Glückshormon) im Gehirn. Der Piepston zur Pause ist also ein akustischer Keks für das Pferd. Gute Bewegung fühlt sich gut an: die Pferde werden durch das Training ihre Selbsthaltung zunehmend verbessern. Schöner Nebeneffekt: bei der Bodenarbeit handelt es sich um eine Arbeit auf Augenhöhe in enger Kooperation zwischen Pferd und Mensch. Bei dieser Art der Arbeit kann sich das Vetrauensverhältnis zwischen den Partnern erheblich verbessern.
Ganz wichtig: Muskeln wachsen in Ruhephasen. Während des Trainings entstehen in der Muskulatur feine Risse in den Muskelfasern (das ist unter anderem das, was wir nach dem Sport als Muskelkater zu spüren bekommen). Zur Regeneration und zum Wachstum benötigt der Muskel 48 Stunden. Wird in diese Regenerationsphase hineintrainiert, kann sich der Muskel nicht regenerieren, schlimmstenfalls atrophiert er (d.h. er baut sich ab). Damit sich die Muskulatur regenerieren und verdicken kann, hat das Pferd nach der Equikinetic einen Tag Pause!
Equikinetic ist übrigens ein von vielen Tierärzten und Therapeuten empfohlenens Rehaprogramm für übergewichtige oder ältere Pferde, sowie Pferde mit unterschiedlichen Erkrankungen, wie Sehnenschaden, Arthrose, Hufrehe, EMS oder PSSM. Entgegen häufig geäußerter Bedenken handelt es sich bei der 8m Quadratvolte nämlich nicht um eine enge Wendung, da das Pferd ja geradegerichtet auf der Kreisbahn geht. Hinzu kommt, dass das geführte Longieren die kontrollierte Bewegung sicherstellt, was bei Rehamaßnahmen unerlässlich ist. Natürlich sollte Equikinetic als Rehamaßnahme nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt erfolgen!
Weiterführende Links zum Thema Equikinetic:
tierärzteverlag.at: Der Bewegungsapparat des Pferdes - neue Wege in die Reha
pferderevue.at: Pferdefitness im Quadrat
cavallo.de: Equikinetic lässt die Muskeln wachsen
cavallo.de: Fitte Pferde dank Equikinetic